Berlin, den 11.12.2022, An diesem dritten Advent blickt Uwe Witt erneut kritisch auf eine Woche zurück, in der die Menschen in Deutschland vor allem ein Thema beschäftigt hat.

Uwe Witt, Mitglied des Deutschen Bundestags, erklärt, wie gefährlich die sog. “Reichsbürger- Affäre” tatsächlich für unsere Demokratie ist und verurteilt die Forderung aus dem Bundesinnenministerium nach einer Beweislastumkehr scharf.

„Das Mediengeschehen wird dieser Tage ganz deutlich dominiert, von dieser sogenannten Reichsbürger-Razzia. Andere wichtige, schlimme und auch besorgniserregende Ereignisse und Entwicklungen treten dadurch in den Hintergrund. Leider drängt sich einem dabei der Eindruck auf, dass der vermeintliche Skandalwert einer Meldung oder die politische Opportunität wesentlich mehr Einfluss auf den Umfang einer Berichterstattung aber auch der weiteren medialen und politischen Behandlung haben.

Viele Bürger fragen sich im Augenblick, wie gefährlich ist diese Reichsbürger-Affäre?

Natürlich ist der normale Deutsche dabei auf die Medien angewiesen, da er in der Regel keine eigenen Informationen über solche Vorgänge hat. Umso wichtiger ist es, dass die Medien, dem Presse-Ethos folgend, neutral und sachlich berichten, sich nicht an Spekulationen beteiligen und alle Aspekte der Vorgänge beleuchten.

Aber haben Sie den Eindruck, dass das heutzutage noch der Fall ist? Und haben Sie den Eindruck, dass alle Kriminalitätsfelder gleichermaßen Aufmerksamkeit durch Regierung, Politik und Behörden erfahren? Haben Sie den Eindruck, dass die Unschuldsvermutung oder der Schutz von Persönlichkeitsrechten für alle gleich gelten? Aus den vielen Zuschriften normaler Bürger, habe ich einen anderen Eindruck gewonnen.

Gerade im aktuellen Fall ist doch auffällig, dass bei dieser „GEHEIM“ erklärten „Antiterror-Aktion“ die Medien schon im Vorfeld bestens informiert und zu den Verhaftungen hinzu gebeten wurden. Die Verdächtigen werden erkennbar vorgeführt, beim Namen genannt und mit Hintergrundinformationen präsentiert. Die Unschuldsvermutung, eine der Grundfesten des Rechtsstaats? Offenbar vernachlässigbar! Selbst im Falle der Unschuld, einer Freilassung oder eines Freispruches, sind diese Menschen ruiniert.

Dass jüngst die Innenministerin Faeser tatsächlich eine Beweislastumkehr forderte, also dass nicht die Justiz jemandem seine Schuld nachweisen muss, sondern dieser seine Unschuld, ist eine Kampfansage an die freiheitlich-demokratische Grundordnung und verstößt gegen sämtliche Menschenrechtskonventionen.

Hören wir bei anderen Verdächtigengruppen immer wieder nur „ein Mann“, „eine Gruppe von Männern“, ohne weitere Details und mit der Warnung bloß keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, nichts zu instrumentalisieren, wird hier offensichtlich ein anderes Maß angelegt. Aber das darf nicht sein. Das wäre eine weitere Erosion des Rechtsstaates. In diesem muss immer der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten. Besonders vor dem Gesetz.

Viele Themen, die die Menschen in unserem Land bewegen, erfahren im Vergleich nicht so viel Aufmerksamkeit von Medien und Politik, wie es angemessen erscheint. So werden Themen, wie der Anschlag auf Nordstream 2, Clankriminalität und andere Kriminalitätsfelder, die den Bürger täglich treffen, lieber zur Randnotiz gemacht. Den Bürger aber deshalb mit Hilfe vieler Medienschaffender nur unzureichend oder einseitig zu informieren, und damit entgegen unserer demokratischen Ideale unmündig zu halten, ist keine Lösung.

Im Gegenteil, das ist eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung! Solch ein Vorgehen aber liefert fruchtbaren Boden, für sogenannte Verschwörungstheorien. Die Bürger versuchen eigene Erklärungen für Vorgänge zu finden, sich anderweitig zu informieren und auszutauschen. Dabei können Sie natürlich auch allzu leicht auf dubiose Informationsquellen stoßen und in die falschen Kreise geraten. Ich halte es für unzulässig, ungerecht und gefährlich, sofort jeden, der nicht der vorgegeben Leitmeinung entspricht, gleich mit den schlimmsten Mitgliedern dieser Dunstkreise gleichzusetzen.

Allzu schnell würde das nämlich dazu führen, dass sich die Bürger in Deutschland nicht mehr trauen, nach nicht staatlich legitimierten Informationen zu suchen, überhaupt irgendeine Kritik an Staat oder Regierung zu äußern oder sich gar mit anderen darüber auszutauschen. Das aber ist Gift für die so wichtige Meinungsfreiheit! Das wären Verhältnisse, die wir zu Recht in Ländern mit totalitären Systemen ohne Demokratie und Freiheit kritisieren. Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit – auch in sozialen Medien – dürfen nur dort enden, wo sie strafrechtlich relevant werden. Diese Grenze nach politischer Ausrichtung abzusenken, müsste jeden Kämpfer für Freiheit und Demokratie auf die Barrikaden bringen. Leider sind viele Deutsche sich dieser Gefahr wohl noch nicht ausreichend bewusst. Oder die Furcht vor Konsequenzen hat bereits den gewünschten Erfolg.

Um uns also nicht weiter in Richtung solcher Verhältnisse zu entwickeln, sollte Anspruch unserer Regierung Transparenz, Ehrlichkeit und Objektivität sein. Die Forderung nach weiterer Befestigung des Bundestages, geht aber eher in eine andere Richtung. Und diesen Festungsbau dann als Ausdruck wehrhafter Demokratie zu bezeichnen, entbehrt nicht einer tragischen Komik. Aber wenn Regierung und Politik meinen, sich vor dem Bürger verschanzen zu müssen, alle nicht linientreuen Menschen als rechts diffamieren zu können, hat das zwar schlechte Tradition, klappte aber auch in der DDR und anderen totalitären Systemen nicht. Dass wir mit der einstmals freiheitlichen FDP in der Regierung hierbei vermeintlich bürgerliche Steigbügelhalter erleben, die meinen davon profitieren zu können, bestürzt mich sehr.

Von einer Verbesserung des Anspruches an sich selbst, sehe die Politik leider weit entfernt. Das würde auch dem Anspruch unserer Sicherheitsorgane gerecht, die immer mehr unter einem politischen Primat leiden, das der Exekutive die Durchsetzung von Ideologien aufzwingt und nicht mehr die Durchsetzung von Recht und Gesetz im Sinne der deutschen Bürger. Ich habe leider das Gefühl, dass es mit vielen Tugenden und Werten, die unser Land einmal ausgezeichnet haben, den Berg hinab geht.

Aber, wenn etwas schlechter wird in Deutschland, wird heutzutage nicht mehr versucht es besser zu machen, sondern der Missstand nur noch verwaltet und verschleiert, die Folgen auf den Bürger abgewälzt. Das offenzulegen und zu kritisieren, wäre vornehmste Aufgabe der Medien. Das Leben der Menschen in diesem Land zu verbessern wäre vornehmste Aufgabe der Politiker. Also, informieren Sie sich, lassen sich aber nicht von Menschen mit irrationalen Vorstellungen in Ihren Bann ziehen. Nutzen Sie die Möglichkeiten unserer Demokratie!

Denn viel zu lange wackelt hier der Schwanz schon mit dem Hund!”