Berlin, den 19.11.2022, Wie wir heute beim FOCUS lesen konnten, sucht das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck einen Fotografen. Laut Ausschreibung soll dieser ca. 350.000€ in vier Jahren verdienen. Und das scheint nicht unüblich, andere Ministerien haben auch solche Fotografen, zu ähnlichen Vergütungen. Das Kanzleramt sogar gleich vier. Nun geht es mir weniger um die hohe Bezahlung, als um das Problem, das dahintersteckt.

Bei allen relevanten Terminen ist die Presse dabei. Aber Pressebilder reichen hier natürlich nicht aus. Es müssen solche sein, die den Chef oder die Chefin gut aussehen lassen. Im Grunde habe ich nichts dagegen, jeder von uns möchte schließlich auf Bildern gut aussehen. Mir drängt sich aber zunehmen der Eindruck auf, dass wir seit Jahren einen unschönen Wandel des Politikstils erleben.

Heute zählt weniger, was der Politiker leistet, sondern mehr seine öffentliche Wahrnehmung. Ein Politiker kann noch so schlecht in seinem Job sein, wenn nur seine (Selbst-)Darstellung in und durch die Medien passt, wird er weiter Zustimmung genießen.

Das aber ist gefährlich für unsere Demokratie. Denn so werden die Bürger in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sich ein fundiertes Bild von denen zu machen, die sie zu ihren Vertretern gewählt haben und gegebenenfalls ihr Wirken bei den nächsten Wahlen entsprechend zu würdigen. Auch die meisten Medienschaffenden sehen sich hier eher als politische Mitspieler, Mitgestalter, denn als neutrale Berichterstatter und Kritiker der Regierung, im besten Sinne einer sogenannten vierten Macht. Sie entscheiden nach eigenem Gusto über Wohl oder Wehe von Parteien und Figuren.

Wenn man so sehr abhängig ist, vom Wohlwollen der etablierten Medien, ist es kein Wunder, dass viele Politiker ihre Präsenz in den sozialen Medien immer mehr in den Vordergrund stellen. Man könnte fast den Eindruck haben, dass etliche Politiker mehr Zeit auf die sozialen Medien verwenden als auf die parlamentarische Arbeit. Und da liegt das eigentliche Problem: die Bedeutung und Beliebtheit eines Politikers werden heute nicht mehr durch Kompetenz und gute Arbeit begründet. Sein Wert misst sich in Anzahl der der Klicks und Follower und seiner Präsenz in den sozialen Medien. Und Beliebtheit sichert schließlich die Wiederwahl. Das ist aber ganz und gar nicht, was unser Land braucht. Denn von der oft fehlenden persönlichen Kompetenz ganz abgesehen, handelt es sich hier um eine bedenkliche Form des Populismus, der gefährlich für unsere Demokratie ist.

Es werden potemkinsche Dörfer aufgebaut, mit denen Personen und politische Entscheidungen und Entwicklungen in ein gutes Licht gerückt werden sollen, auch wenn es noch so wenig der Realität entsprechen muss. Eine den Tatsachen entsprechende Reaktion des Souveräns, also des Bürgers, wird dadurch erschwert. Auch auf die weitgehend gleichförmige Medienlandschaft als Korrektiv kann man sich nur noch kaum stützen. Dort, wo mehr Schein als Sein gilt, laufen wir Gefahr, zu einem Operettenstaat zu werden. Man könnte fast von einem Neofeudalismus sprechen, wo vom Volk entrückte vermeintliche Eliten die Massen mit großen Auftritten und schönen Bildern in trügerischer Sicherheit wiegen und in ihrem Sinne beeinflussen, derweil im Hintergrund schädliche Entwicklungen laufen oder sogar befördert werden.

Mir tut es oft leid, um die sogenannten Hinterbänkler in den Parlamenten, aber auch um die zahllosen Mitarbeiter, die keine große Aufmerksamkeit erhalten, deren politische Zukunftschancen oft nicht gut sind, deren Lohn oft gering ist. Denn diese sind es häufig, die fleißig arbeiten und den politischen Betrieb am Laufen halten. Aber im Grunde brauchen wir mehr von solchen Menschen. Wir brauchen in der Politik wieder mehr Arbeiter als Selbstdarsteller. Wir brauchen Überzeugung durch gute Arbeit, nicht durch geschickte Medienpolitik.

Statt seine Eitelkeiten zu pflegen, wie hier „der schöne Robert“ (so nennen ihn einige im politischen Umfeld), statt Likes auf sozialen Plattformen hinterher zu jagen, brauchen wir wieder mehr Demut, Anstand und Bescheidenheit. Kompetenz, gesunder Menschenverstand und Logik müssen wieder Maßstab für Politiker sein, nicht die Menge der Follower bei Twitter. Herr Habeck sollte also statt durch einen neuen Hoffotografen schöne Bilder produzieren zu lassen, lieber endlich eine Politik im Sinne und zum Wohle Deutschlands machen! Ich weiß, das ist schwieriger – aber auch richtiger!

In diesem Sinne grüßt Sie herzlichst, Ihr Uwe Witt