Berlin, den 06.11.2022. Das Alte Land südlich der Elbe ist Deutschland größtes Anbaugebiet für Äpfel. Hier werden jährlich eine Millionen Tonnen Äpfel produziert. Dieses Jahr wird etwa ein Drittel der Gesamtproduktion nicht geerntet und eingelagert, sondern landet auf dem Kompost. Für die Obstbauern ist die Ernte schlichtweg zu teuer geworden. Gründe hierfür sind auf der einen Seite die gestiegenen Energiekosten und auf der anderen Seite die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro.
Für Uwe Witt, Mitglied des Deutschen Bundestages, ein Dilemma, das weitreichende Folge für die Lebensmittelversorgung in Deutschland haben wird:
„Die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro ist und war ein richtiger Schritt für alle Arbeitnehmer in Deutschland. Es heißt jedoch, gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.
Anhand des Beispiels der Obstbauern im Alten Land wird deutlich, dass für die Unternehmen die längst überfällige Erhöhung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt eingeführt wurde: im Moment der größte Energiepreissteigerung seit Gründung der Bundesrepublik.
Nun glaubt man, für die Obstproduktion benötigt man doch keine Energie? Das ist leider nicht richtig. Zum einen werden landwirtschaftliche Fahrzeuge mit Diesel angetrieben und hier sind die Literpreise inzwischen wieder aktuell auf einem Höchststand von 2,20 Euro angekommen. Zum anderen müssen die geernteten Äpfel in Kühlhallen bei 3 Grad Celsius über Monate gelagert werden, um auch im Sommer 2023 noch knackfrisch an den Handel ausgeliefert werden zu können. Hier entstehen zurzeit Kosten, die durch den Ertrag nicht gedeckt werden.
In dieser Situation ist die gesetzliche Mindestlohnerhöhung ruinös. Apfelernte ist und bleibt arbeitsintensive Handarbeit und der Preis für diese Handarbeit hat sich jetzt um 25% erhöht. Für die Erzeuger bedeutet es, genau zu kalkulieren, ob sie noch wirtschaftlich produzieren können. Bei einem Erzeugerpreis von 30 Cent pro Kilo Äpfel, den die Obstbauern von den Handelskonzernen erhalten, ist die Entscheidung leicht gefällt: die Apfelproduktion in Deutschland ist nicht mehr lukrativ. Da lässt man lieber die Ernte vergammeln anstatt Verluste einzufahren. Gleiches gilt natürlich auch für andere arbeitskraftintensive Bereiche der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion wie z.B. Gemüse- und Erdbeeranbau.
Diese Probleme gibt es bei Europas größtem Apfelproduzenten Polen nicht. Die Energiekosten sind im Vergleich zu Deutschland noch moderat, die Lohnkosten deutlich niedriger. Polen hat jedoch ein anderes Problem: seine Hauptabnehmer Russland und die Ukraine sind weggebrochen, so dass Polen auf den deutschen und europäischen Markt drängt. Hier entsteht eine Spirale, die sich negativ für unsere heimischen Obstbauern auswirkt. Durch die gestiegenen Produktionskosten bei gleichzeitig stagnierenden Verkaufspreisen sind sie gegen die osteuropäischen Konkurrenten chancenlos.
Wieder einmal ist die Bundesregierung gefragt, nicht nur den industriellen Standort Deutschland zu unterstützen, sondern auch die deutsche Landwirtschaft. Die Lieferprobleme seit der Ukrainekrise haben deutlich gezeigt, wie wichtig autarkes Wirtschaften ist. Gerade in der Lebensmittelproduktion kann es sich ein 83-Millionen-Land nicht erlauben, sich in Abhängigkeiten zu begeben, die ihm, wie bei der Energie- und Rohstofflieferung passiert, auf die Füße fallen.
Die deutsche Landwirtschaft ist viel zu lebenswichtig für unser Land und benötigt Entlastungen, um diese Krise überstehen zu können und die Versorgung unserer Bevölkerung zu gewährleisten.“