Berlin, den 18.10.2022. Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs vorgelegt. Besonders umstritten ist an diesem Entwurf, dass bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen im Übergangsbereich (sog. „Midijob“) die Obergrenze für Einkommen ab dem 1. Januar 2023 von 1.600 € auf dann 2.000 € im Monat angehoben werden soll. Die Bundesregierung hatte im 1. Halbjahr 2022 erst eine Anhebung der Midijob-Grenze von 1.300 € auf 1.600 € ab dem 1. Oktober 2022 beschlossen. Ziel dieses Entwurfes soll es sein, durch reduzierte Beiträge zur Sozialversicherung für Entlastungen von Beschäftigten in diesem Einkommensbereich zu sorgen.

Uwe Witt, Mitglied des Deutschen Bundestages, sieht diese abermalige Erweiterung sehr kritisch:

„Die Erweiterung des Übergangsbereichs durch diesen Gesetzentwurf verschiebt kurzfristig eine gewisse Beitragslast von Arbeitnehmern in diesem Lohnbereich hin zu Arbeitgebern. Mittel- bis langfristig dürfte sich dieser Effekt durch entsprechende niedrigere Lohnsteigerungen wieder ausgleichen, da sich die gesamten Lohnkosten an der Grenzwertproduktivität der Arbeitnehmer orientieren. Ein wirklicher Vorteil bleibt so für den Arbeitnehmer daher nicht.

Weiter wird in Zeiten des Fachkräftemangels der Teilzeitjob durch diese Neuregelung gefördert. Mit dem neuen Mindestlohn von 12 € liegen alle Vollzeitstellen über 2000 € und sind daher nicht davon betroffen. So wird einerseits ein Anreiz gesetzt mehr zu arbeiten, aber alle Beschäftigten knapp oberhalb der 2000 € Grenze werden sich überlegen, ihre Arbeitszeit so anzupassen, dass sie unter diese Grenze fallen, um Sozialbeiträge zu sparen. Dringend benötigte Vollzeitkräfte gehen so verloren.

Zudem ist dieser Entwurf nicht dazu geeignet, Menschen mit einem niedrigen Einkommen zielgenau zu entlasten. Oft arbeiten auch gut situierte Menschen in einem Teilzeitjob, wie die oft zitierte Zahnarztfrau, die ihrem Mann in seiner Praxis hilft.

Eine wesentliche Schwachstelle ist jedoch, dass diese Entlastung auf Kosten der Allgemeinheit finanziert wird. So werden den einzelnen Sozialversicherungszweigen Beitragsmittel entzogen. Durch die geplante Ausweitung auf 2.000 € sind es laut dem Entwurf 0,8 Mrd €, die den Sozialkassen fehlen werden. Bereits die Änderungen zum Oktober 2022 entziehen den Sozialversicherungen etwa 0,8 Mrd €. Diese Lücke wird zu einer Beitragssatzerhöhung um etwa 0,1 Prozent führen und damit die mittleren Einkommen belasten.

Die Erweiterung der Midijob-Grenze wird daher nicht ohne Grund von allen Experten abgelehnt.

Der Gesetzgeber muss dazu übergehen zielgenaue Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen im Niedriglohnsektor in der Energiekrise zu entlasten. Das Gießkannenprinzip hat sich schon in den letzten Entlastungspaketen nicht bewährt und wird dies auch weiterhin nicht tun.“