Berlin, 05.09.2022. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat in der Nacht zu Sonntag ein weiteres Entlastungspaket mit einem Gesamtvolumen von mehr als 65 Milliarden Euro beschlossen. Es enthält u.a. eine Energiepauschale für Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende, einen vergünstigten Strompreis für den Basisverbrauch, die „Größte Wohngeldreform“ und ein neues bundesweites Nahverkehrsticket. Eine der wichtigsten Botschaften der Ampel dabei war zudem, dass der Grund für die Krise Russlands Krieg ist.

Uwe Witt, Mitglied des Deutschen Bundestages, sieht in dem neuen Paket keinen großen Wurf:

„Wenn Olaf Scholz von viel Geld spricht, was für dieses Entlastungspaket in die Hand genommen wird, darf man nicht vergessen, dass die Regierung lediglich zurück gibt, was sie an höheren Einnahmen durch die Inflation in die Kasse gespült bekommt. So nimmt der Staat alleine in diesem Jahr 50 Milliarden Euro höhere Mehrwertsteuer und zehn bis 15 Milliarden Euro höhere Einkommenssteuer ein. Hier findet also nur eine Umverteilung statt, anstatt die Inflation und die Probleme bei der Energieversorgung zu bekämpfen.

Ein grundsätzliches Problem des Papiers ist, dass es zeitlich sehr unkonkret ist und viele Maßnahmen erst dann greifen werden, wenn es für viele Bürger schon zu spät ist.
Für die Strompreisbremse, die mittels der Abschöpfung der Zufallsgewinne finanziert werden soll, wird nun eine Expertenkommission prüfen, ob ein solches Modell in Europa oder Deutschland überhaupt möglich ist. Eine zeitnahe gemeinsame Entscheidung der EU kann also noch auf sich warten lassen.
Viele Maßnahmen wie die Verbesserungen durch Wohngeld, Bürgergeld und Abbau kalter Progression kommen aber erst zum 1. Januar 2023. Für Bürger ohne Rücklagen, ein echtes Problem.

Das Paket enthält überdies viele Lücken. So fehlt z.B. vollständig ein Lösungsansatz für die Gaspreisexplosion, die sowohl Privatleute, als auch Unternehmen deutlich härter trifft, als der Strompreisanstieg. Es gibt zwar den Ansatz für ein Nachfolgeangebot für das 9 Euro Ticket, aber was ist mit den Pendlern, die auf ihr Auto angewiesen sind? Der Spritpreis bleibt unberührt.

Die “untere Mittelschicht”, die knapp oberhalb der Sozialhilfesätze und oberhalb Wohngeld-Grenze liegt und von dem Abbau der kalten Progression nur wenig profitiert, wird im Stich gelassen.

Ebenso geht es kleinen und mittelständischen Unternehmen, diese sollen zwar vom Strompreisdeckel profitieren und es werden weitere Liquiditätshilfen zur Verfügung gestellt. Hier fehlt es aber an langfristigen und grundlegenden Hilfen.

Weiterhin ist mir nicht verständlich, warum Studenten nur eine Einmalzahlung von 200 Euro erhalten und nicht wie alle anderen 300 Euro. Sind Studenten weniger wert? Warum wird die Erhöhung des Co2-Preises nur um ein Jahr verschoben und nicht vollständig abgeschafft? Co2-Emissionen sind derzeit schließlich keinesfalls mehr zu billig.

Ich könnte noch etliche Schwachstellen aufführen, aber das Problem der Entlastungspakete ist de facto immer dasselbe: es ist und bleibt ein Flickenteppich. Die Regierung scheut sich davor grundlegende Reformen durchzuführen und die vorhandenen Probleme an der Wurzel zu packen. Die Regierung sollte sich lieber Gedanken über die Sinnhaftigkeit der Sanktionen gegen Russland machen und wie man auf einen Frieden hinwirken kann. Dazu die Inflation bekämpfen und eine große Steuerreform in Angriff nehmen. Stattdessen wird mal hier ein vermeintliches Geschenk gemacht und mal da mit der Gießkanne Geld unnötig an den Mann gebracht. Umverteilung ist keine Entlastung des Bürgers.“