Berlin, den 23.08.2022. Das Bürgergeld soll ab 1.1.2023 das Arbeitslosengeld II ersetzen – und mehr auf Qualifikation, Kooperation und Vertrauen setzen. Das Bürgergeld ist eines der zentralen Vorhaben der Ampel. Es gibt jedoch deutliche Kritik an der Abschaffung des Prinzips des “Förderns und Forderns”. Die Sanktionsmöglichkeiten werden deutlich zurückgefahren.

Uwe Witt, Mitglied des Deutschen Bundestags, kann dem Bürgergeld wenig abgewinnen:

„Eine Reform des Sozialsystems ist in der Tat dringend von Nöten. Das Bürgergeld in dieser Form ist jedoch das, was Deutschland gerade am wenigsten hilft. Denn denen, die wirklich Hilfe benötigen, wird weiter nicht im ausreichenden Maße geholfen. Daran kann auch eine Erhöhung der Regelsätze um 50 Euro nichts ändern. Diese Menschen werden weiter jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Es bedient hingegen aber durchaus die Interessen derjenigen, die vom Sozialstaat nicht aufgefangen werden sollten. Durch den weitestgehenden Wegfall der Sanktionsmöglichkeiten wird für viele der Anreiz fehlen, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, obwohl Arbeitskräfte gerade dringend an allen Stellen gebraucht werden. Das Prinzip des „Förderns und Forderns“ ist gerade für junge Menschen wichtig, um in den Arbeitsmarkt integriert werden zu können. Zudem werden sich viele, die sich an die Regeln halten, die Frage stellen: wozu?

Natürlich sollte die Kommunikation mit den Langzeitarbeitslosen auf Augenhöhe geschehen und von Vertrauen geprägt sein, aber Laissez-faire funktioniert meist nur bei Menschen, die selber eine gewisse Struktur und Halt haben. Langzeitarbeitslose befinden sich hingegen oft in einer schwierigen Lebenssituation und brauchen eben Regeln als stützenden Rahmen. Generell sollte eine Förderung nie eine Einbahnstraße sein. Die Leistungen gerade in den ersten sechs Monaten nicht kürzen zu dürfen, ist in meinen Augen der absolut falsche Ansatz und verleitet gerade dazu, die Zusammenarbeit nicht ernst zu nehmen. Während des Sanktionsmoratoriums in der Corona-Zeit sind nicht umsonst die Langzeitarbeitslosen auf über eine Million angestiegen.

Es ist ein sinnvoller Ansatz, die Qualifikation der Arbeitslosen in den Fokus zu rücken und Weiterbildungen verstärkt zu finanzieren und zu ermöglichen. Es bleibt alleine die Frage offen, warum das bisher nicht funktioniert hat und nur wenige in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Hier scheint es noch einige Schwachstellen zu geben. Nach meiner Ansicht fehlt es oft an der zielgenauen und bedarfsorientierten Weiterbildung oder Qualifikation. Dies muss deutlich verbessert werden.

Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist hier ein dringendes Umdenken der Ampel zu fordern, da hier noch reichlich Potenzial zu nutzen ist. Es macht mich jedoch betroffen, dass die Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, weiter auf keine Hilfe hoffen können.“