Berlin, den 4. März 2022. Die aktuelle Lage in Osteuropa bewegt natürlich auch uns als Zentrumspartei. Der Einfall russischer Streitkräfte in die Ukraine hat Europa und die demokratische Weltgemeinschaft mit Empörung erfüllt. Spätestens die Erkenntnis, dass es der russischen Seite nicht nur darum geht, die von Moskau anerkannten Volksrepubliken, die sich auf dem Territorium der Ukraine gebildet haben, militärisch abzusichern, sondern einen Feldzug gegen die Ukraine insgesamt zu führen, hat zu einer Neubewertung der Lage geführt. Vor allem in Deutschland hat seit dem vergangenen Wochenende eine massive Kehrtwende in der bisher geübten Haltung eingesetzt.
So sind nunmehr, unter Aufgabe des über Jahrzehnte verfolgten Grundsatzes, keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete zu liefern, solche Lieferungen an die Ukraine beschlossen worden; auch die mit 100 Milliarden EUR bezifferte Investition in die Bundeswehr war vor Jahresfrist noch völlig undenkbar. Die allenthalben als „Zäsur“ bezeichnete Zeitenwende wird wohl nicht zuletzt daran ersichtlich, dass ein Minister wie Robert Habeck (Grüne) in direkter Reaktion auf den Krieg in der Ukraine eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke prüfen lässt, die er nicht „ideologisch abwehren“ werde, wie er im „Bericht aus Berlin“ (ARD) bekannt gab.
Es ist nun auch an das Zentrum wiederholt die Frage gerichtet worden, wie wir uns in dieser Lage positionieren. Das Bekenntnis #staywithukraine auf unserer Facebook-Seite führte zum Beispiel schon zu der einen oder anderen Nachfrage, warum wir uns so positionieren.
Der Bundesvorstand der Deutschen Zentrumspartei erklärt dazu wie folgt:
- Es wird sicherlich keine zwei Meinungen darüber geben, dass das Zentrum einer jeden kriegerisch erzwungenen Grenzverschiebung in Europa, einem Einfall in souveräne Staaten (unabhängig davon, ob sie zur EU oder NATO gehören) und dem Einsatz von Kriegswaffen gegen die Zivilbevölkerung mit äußerster Ablehnung gegenüber steht. Die Einstellung von Kampfhandlungen und der Rückzug der russischen Streitkräfte aus der Ukraine sind Forderungen, denen sich das Zentrum nur vollumfänglich anschließen kann.
- Soweit einige Kommentatoren darauf hinweisen, dass die Geschichte der Ukraine auf das engste mit Russland verbunden ist, dass es russische Sicherheitsinteressen gibt, die in der Vergangenheit nicht ausreichend in den Blick genommen worden seien und dass es auch nicht eingehaltene Zusagen maßgeblicher NATO-Signatarstaaten in Bezug auf die Bündnisausdehnung gegeben habe, wird dies durch die militärische Eskalation der vergangenen Tage vollkommen in den Schatten gestellt. Sowohl das Gros der Politik als auch weiterer Einflusskräfte, nicht zuletzt weite Teile der Öffentlichkeit sind –auch über Deutschland hinaus – nicht bereit, zu einem Zeitpunkt über russische Sicherheitsinteressen zu reden, da die Rote Armee weit in ukrainisches Territorium eingedrungen ist und Kiew unter russischem Artilleriefeuer liegt.
- Dass sich in einer solchen zugespitzten Lage auch Fragwürdigkeiten einstellen, ist selbsterklärend. Nicht nur die schon beschlossenen Maßnahmen finanzieller und logistischer Art, die Einstellung der Nordstream-II-Pipeline, der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System und die Umschichtung einer veritablen Größe von Mitteln aus dem Bundeshaushalt werden – daran kann nun kein Zweifel bestehen – vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes treffen.
- Politisch ändert sich selbst bei einer differenzierten Betrachtungsweise nichts daran, dass es Zeiten und Unzeiten für Einwände und Bedenken gibt. Politisch bleibt es richtig, dass wir für die grundlegenden Werte von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten und kriegerischen Invasionen eine unmissverständliche Antwort erteilen müssen.
Es steht für uns daher außer Zweifel, dass wir uns in dieser Situation auch (wieder) jener staatspolitischen Verantwortung erinnern müssen, der sich das Zentrum von jeher verpflichtet gefühlt hat. Anders als es zum Beispiel Linkspartei und AfD derzeit tun, darf und wird die Zentrumspartei nicht ausscheren aus dem Konsens der Demokraten. Als soeben in den Deutschen Bundestag zurückgekehrte Partei darf man von uns erwarten, dann, wenn es darum geht, Menschenwürde und Lebensrecht zu verteidigen, wir uns ohne weiteres an die Seite derer stellen, die sich ebenfalls in diesem Sinne engagieren. Dies gilt ausdrücklich auch unter Anerkennung des Umstands, dass die politische Gesamtverantwortung derzeit bei Parteien und Personen liegt, denen wir im politischen Tagesgeschäft teilweise sehr kritisch gegenüber stehen.
Die Zeit für Zweifel, für „Wenn und Aber“ wird kommen. Dann wird auch das Zentrum seine diesbezüglichen Anmerkungen vortragen. Solange aber auf der einen Seite Krieg geführt wird und sich auf der anderen jene versammeln, von denen ja auch wir im Zweifel Solidarität bei der Verteidigung unserer eigenen Freiheit erwarten würden, kann es keine Frage sein, wo wir uns einreihen.
Aus diesem Grunde unterstreicht der Bundesverband sein Bekenntnis #staywithukraine als in der gegenwärtigen Situation richtig und als ethisch auch alternativlos.